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Wohnen im Naturhäusschen

Morgens von den ersten Sonnenstrahlen wachgeküsst werden, die Vögel zwitschern hören, auf der Terrasse im eigenen Blumengarten frühstücken und beim Spaziergang keiner Menschenseele begegnen. Dazu am besten eine Aussicht genießen, die uns vergessen lässt, dass es so etwas wie Großstädte gibt. So oder so ähnlich könnte man wohl naturnahes wohnen beschreiben wie es sich viele Städter wünschen.

Vor allem seit Covid-19 unser Leben diktiert und uns oft schmerzlich vor Augen führt wie trist wir in unseren Wohnungen und Vorstadthäusern leben, sucht so mancher nach einem Rückzug in eine naturnahe Umgebung. Die Preise für Häuser auf dem Land sind seit März rasant gestiegen und wer sich das nicht leisten kann, der schaut sich stattdessen Videos übers Gärtnern, den Bau einer einsamen Blockhütte in der Kanadischen Wildnis oder andere sogenannte „Cottage-Core“ Videos an. Doch woher kommt unsere neu entdeckte Landlust und das Verlangen nach einem Leben in der Natur?

Erläuterung: Cottagecore beschreibt eine Internetästhetik die eine Sehnsucht nach dem Ursprünglichen und simplen Leben in der Natur verkörpert. Vom töpfern, gärtnern und florale Muster malen, bis hin zum Aussteiger der seine einsame Hütte im Wald baut, bietet „cottagecore“ das Gefühl eines Auswegs aus einer Informationsflut und stress gebeutelten Gesellschaft.

Es scheint als kämen wir durch den kollektiv erzwungen Verzicht so langsam zu der Erkenntnis, dass uns die After Work Bar, unser Partyleben am Wochenende und das kurzzeitige High eines shopping-Trips mit Freunden auch ohne Corona-Krise nicht nachhaltig erfüllt. Und das obwohl uns in aufwändigen Werbekampagnen die Welt versprochen wird und uns genau gezeigt wird, was wir uns zu wünschen haben um glücklich zu sein. Jetzt probieren wir durch online Shopping und virtuelle Partys zwanghaft den Schein von Normalität zu wahren, jedoch wissen wir alle heimlich, das Konsum–Glück ist entzaubert. Der Wunsch nach weniger Aufgeregtheit, weniger Komplexität, einer Situation die wir kontrollieren können und eine Umgebung die uns heilsam zur Ruhe kommen lässt, all das findet gerade seinen Höhepunkt im Wunsch nach naturnahem wohnen. Wir wollen uns nicht selbst einsperren müssen, in unsere tristen Wohnungen und grauen Vorstadtviertel aber wieso fällt uns das erst jetzt auf? Die Sehnsucht nach einem Leben im Einklang mit der Natur ist nicht etwa neu, schon seit Beginn der Industrialisierung gab es Stimmen, die sich gegen das Leben in Städten aussprachen und das Bedürfnis des Menschen nach einer ursprünglichen Einfachheit erkannten.

"I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived."

Henry David Thoreau, Walden 1854

Natur gegen Stress

Unsere Zivilisation und Gesellschaft unterliegt dem stetig vorangetriebenen Fortschritt, der Mensch selbst hat sich evolutionär jedoch seit 200.000 Jahren kaum weiterentwickelt.
Damit möchte ich nicht behaupten dass unser Lebensstandard damals höher war, ganz im Gegenteil aber durch unsere Entwicklungen bringen doch erhebliche Probleme und Zivilisationskrankheiten mit sich. Eines dieser Probleme ist der Verlust des Kontakts zur Natur. Nur wieso sollte dieser Verlust ein ernstzunehmendes Problem darstellen?
Jeder Mensch erfreut sich an der Natur, sei es auch nur unbewusst. Wieso sonst würden wir Urlaub am Badestrand, die Bergwanderung oder den Spaziergang durch den Park als erholsam empfinden. Eine Studie der Universität Michigan (USA) ergab, dass schon ein 20 minütiger Aufenthalt im grünen unser Stresslevel deutlich reduziert. Ein 3 tägiger Natur-Urlaub und der alltägliche Stress reduziert sich bis zu 70 %. Zu dieser Erkenntnis gelangen Forscher des Karolinska Institut’s in Stockholm (Schweden), so entwickelte die Architektin Jeanna Berger kleine  Häuser aus Glas und Holz, die an ein zu schick geratenes Gewächshaus erinnern. Gäste verbringen 72 Stunden in der Umgebenden Natur und  haben so die Möglichkeit ihre Zeit so nah an der Natur wie möglich zu verbringen. Das erklärte Ziel: durch ihr Erholungs-Programm und die Nähe zur Natur das Stresslevel der Gäste  nachweislich zu senken.

72 Hour Cabin Sweden

Unsere Verbundenheit zur Natur war lange absolut überlebenswichtig und ist dadurch immer noch ein einflussreicher Faktor auf unser generelles Wohlbefinden. Wir sind seit Jahrtausenden von Ihr abhängig, leben in, von und mit ihr. Erst mit dem Aufkommen der globalisierten Industrialisierung nimmt der Mensch nahezu weltweit Abstand und tritt nur noch selten in regelmäßig bewussten Kontakt mit ihr.  Eine häufige Betätigung in Wald und Wiese kann dagegen sogar Krankheitsrisiken für Herz und Psyche senken. Manche Studien lassen sogar vermuten, dass diverse Krankheiten zum Teil ihren Ursprung in unserer Natur-Abstinenz haben (Nature Deficite Disorder). 
Die Vorteile warum wir uns mehr Zeit im Wald, am See oder in den Bergen verbringen sollten sind also offensichtlich.  Und obwohl wir uns noch an die Idee des Stadtlebens klammern, wird sich auch nach Covid-19 an der Tatsache nichts ändern, dass wir die Nähe zur Natur suchen müssen um gesund und glücklich zu leben. Wie das im Detail für jeden Einzelnen von uns funktionieren kann ist allerdings nicht auf den ersten Blick erkenntlich.

Der Einfluss unserer Häuser

Tiny Houses oder das Leben in einem Häusschen in der Natur ist eine Möglichkeit die mehr und mehr Menschen für sich entdecken. Ein sehr winziges Haus zwingt einen nahezu mehr Zeit draußen zu verbringen, oft ist der Einfluss der Elemente auch im Haus deutlicher zu spüren. Der Regen auf dem Dach und das Geräusch eines kräftigen Windstoßes sind oft stärker wahrnehmbar. Je näher einem die Wände und Fenster kommen, desto dichter rückt auch die umgebende Außenwelt an einen heran. Auf den ersten Blick mag dies wie ein Rückschritt erscheinen, nicht umsonst stecken hunderte Jahre Erfahrung und Inventionen im Bauwesen um uns so effektiv wie möglich abzuschirmen und zu schützen, so dass wir das Haus eigentlich nicht mehr verlassen müssen. Wir sind jedoch an einem Punkt angelangt, an dem die Urbanisierung überhand gewonnen hat und uns, trotz aller Bemühungen, die Integration der Natur in die moderne Welt noch schwer fällt. Ein Tiny House, egal ob mobil auf Rädern oder fest an einem Ort, gibt uns den Schutz und Komfort den wir uns wünschen, während es die Tür zu einem Achtsameren Umgang in unserer Beziehung zur Umwelt öffnet.

In der Bemühung unseres neu gewonnen Bewusstseins für natürliches und gesundes Wohnen müssen wir uns auch die Frage stellen, wie wir unsere Häuser der Zukunft bauen, welche Materialien und welche Art Haus es braucht und welchen Einfluss wir durch unser Tun auf unsere Umwelt haben. Schließlich sollten wir nicht in unserem menschlichen Egoismus und unserer Suche nach dem Glück vergessen, dass es sich in einer zerstörten Umwelt auch nicht Naturnah leben lässt.  Hierbei kann dann auch der technische Fortschritt und die vielen Wissenschaftlichen Erkenntnisse helfen, so produziert die Firma „Wickelhaus“ Häuser aus recycelter Pappe. In Modulen gefertigt und zu verschiedenen Größen zusammengesetzt, bieten sie eine funktionale Alternative zu konventionellem Hausbau.

Das Wikkel House

Die Zusammensetzung der Baustoffe und ihre Herkunft wird dabei immer wichtiger. Generell gilt, je weniger Primärenergie in die Produktion eines Baustoffs einfließt, desto besser. außerdem ist eine hohe Wiederverwertbarkeit oder aber eine rückstandlose Verrottung für die Öko-Bilanz vorteilhaft. Den größten Teil an Primärenergie und CO2 Ausstoß spart man jedoch nicht durch Hightech – Materialien oder Ökobaustoffe, sondern durch eine Konstruktion kleinerer Häuser und die Reduzierung der Menge verwendeter Materialien. Wer dazu noch die richtigen auswählt, kann nicht nur dem Raumklima sondern der ganzen Welt etwas Gutes tun.
Lassen wir es nicht nur bei dem Apell, denn die Sehnsucht nach der Holzhütte im Wald wird bleiben, stattdessen wäre in der Krise die Zeit und die Chance etwas am eigenen Leben zu verändern. Statt unglücklich am alten „Normal“ fest zu halten, ist es in Zeiten des Wandels oftmals besser in diesem Wandel Pro-Aktiv zu werden. Durch ein eigens initiiertes Projekt wird die Veränderung auch öfter positiv empfunden und der Wandel in einer unsteten Zeit bleibt erträglich.

Tiny Houses können in ihrer Schnuckeligkeit trotzdem nicht allen Lebenssituationen und Anforderungen gerecht werden. Für die 5 Köpfige Familie für die ein Tiny House nicht funktioniert oder wenn das Wort „Platz-Verzicht“ nicht mit einer positiven persönlichen Entwicklung in Verbindung gebracht wird, wie es der Minimalismus häufig sein kann, dem bleiben trotzdem verschiedene Optionen um das eigene Leben etwas zu begrünen. Wer im Alltag zum Beispiel an bestimmte Infrastrukturen der Stadt gebunden ist, der kann auf ein gemietetes Naturhäusschen zurückgreifen und sich so regelmäßig stressfreie Tage in schönster Umgebung bescheren.

Quellen:

These Swedish holiday cabins can reduce stress by 70%

https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/waldspaziergaenge-warum-sie-fuer-koerper-und-geist-gesund-sind-a-952492.html

https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/natur-parks-wald-schon-20-minuten-im-gruenen-senken-das-stresslevel-a-1261673.html

https://www.bbc.com/news/science-environment-38094186

https://www.fr.de/wissen/wenig-natur-kann-krank-machen-11336842.html

https://www.vastsverige.com/en/72hcabin/booking/

72h Cabin / JeanArch | ArchDaily

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